Freitag, 24. Juli 2009

"Das traurige Ende eines großen Mannes"

Die Theater-Saison mag vorbei sein, die kurzweiligste Aufführung aber findet erst jetzt statt - vor den verschlossenen Türen des Berliner Ensembles. Rolf Hochhuth, streitbarer Dramatiker, tritt gegen Intendant Claus Peymann an und scheut auch vor Beleidigungen nicht zurück.

Berlin - Sein Anwalt versuchte noch, das Schlimmste zu verhindern. Doch er hatte keine Chance. Innerhalb weniger Minuten beleidigte Rolf Hochhuth mehrfach seinen Widerpart Claus Peymann, beschimpfte den Senat als Mafia und den Berliner Anwalt Peter Raue als "Wicht". Es war dies am Freitag der vorläufige Höhepunkt in einem Streit zwischen dem Dramatiker Hochhuth und dem Intendanten Peymann, der vom Sommertheater in eine groteske Schmierenkomödie abzudrehen droht. Der Dramatiker Rolf Hochhuth: "Ich bin offenbar einer, der den Streit anzieht"Hochhuth kam gemütlich mit dem Fahrrad angefahren, um Einlass in ein Haus zu finden, das der nach seiner Mutter benannten Ilse-Holzapfel-Stiftung und damit letztlich ihm gehört: Das Theater am Schiffbauerdamm, Sitz des von Peymann, 72, geleiteten Berliner Ensembles. Der mit dem Land Berlin abgeschlossene Mietvertrag gestattet Hochhuth, jährlich in der Sommerpause ein eigenes Stück aufzuführen. Dafür gibt es bestimmte Regeln. Die soll Hochhuth angeblich nicht eingehalten haben, weshalb der 78-Jährige bislang nicht im BE, wie das Berliner Ensemble umgangssprachlich genannt wird, proben durfte.
Dass die Proben für Hochhuths Stück "Sommer 14" derzeit in der Akademie der Künste am Hanseatenweg abgehalten werden zeigt, dass es auch anders geht - und darf als Indiz dafür herhalten, dass der Streit nur vorrangig einer um Mietrecht und andere Paragrafensammlungen ist. Geht es nach Hochhuths Schimpftiraden, dann soll hier ein für allemal der Sieger im schon viele Jahre währenden Duell Hochhuth gegen Peymann ermittelt werden.
"Peymann ist menschlich der letzte Dreck Was die Öffentlichkeit jetzt erlebe, sei "das traurige Ende eines einst großen Mannes", ereiferte sich Hochhuth. Peymann sei ja früher mal ein guter Mensch gewesen. Das habe sich geändert, als Peymann "Chef wurde". Seitdem gebe es keinen Umgang mehr mit ihm, Peymann sei "einfach ein schlechter Mensch", meinte Hochhuth und ließ sich auch durch die Beschwichtigungsversuche seines Anwalts nicht in der Inszenierung seines persönlichen Rachefeldzuges stören.
"Er ist einfach menschlich der letzte Dreck", legte Hochhuth noch eins drauf. "Herr Peymann ist die Unmenschlichkeit in Person. Ich bitte Sie, das zu drucken damit er mich anzeigt." Peymann verfälsche die Bilanz des Theaters, in dem er Mitarbeiter anweise, vor Beginn einer Aufführung überzählige Karten aus einer "Schwarzkasse" aufzukaufen, sagte Hochhuth.
Dem Ensemble und dem Land Berlin drohte Hochhuth mit Rausschmiss. "Die Kündigung wird eingereicht. Unter Garantie", sagte er. Natürlich fliege "die Senatsmafia" raus, ein Nachmieter sei schon gefunden. Vor Gericht ist Hochhuth auch schon gezogen.
Schon mit seinem ersten Theaterstück hatte Hochhuth für einen großen Eklat in der deutschen Nachkriegstheatergeschichte gesorgt. In dem Drama "Der Stellvertreter" fragte er, ob Papst Pius XII. durch sein Schweigen eine Mitschuld an der Vernichtung der Juden durch das NS-Regime treffe. Hochhuth löste damit eine heftige Debatte über die Rolle der katholischen Kirche während der Nazi-Herrschaft aus.
Mit einem Schlag wurde er damit einer der bekanntesten und zugleich umstrittensten deutschen Dramatiker der Nachkriegszeit. Dieses Image hat Hochhuth seitdem immer wieder gepflegt. "Ich bin offenbar einer, der den Streit anzieht", sagte der im nordhessischen Eschwege geborene Sohn eines Schuhfabrikanten einmal über sich selbst.
Dass sich der aktuelle Streit, der spätestens am 13. August mit einer weiteren Runde vor Gericht fortgesetzt wird, ausgerechnet an "Sommer 14" entzündet hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Peymann hatte das Stück zum 100-jährigen Bestehen des Wiener Burgtheaters eigens bei Hochhuth in Auftrag gegeben und die Uraufführung an seiner damaligen Wirkungsstätte persönlich inszeniert