Sonntag, 26. Juli 2009

Experten sehen Ende der Krise

Der Ifo-Geschäftsklima-Index ist zum vierten Mal in Folge gestiegen – und zwar deutlich stärker, als viele Experten vermutet hatten. Die Talsohle scheint erreicht zu sein. Nur für den Arbeitsmarkt gibt es noch keine Entwarnung.

Düsseldorf. Schon seit einigen Wochen sprechen immer mehr deutsche Konzernmanager davon, dass die Talsohle der Wirtschaftskrise endlich in Sicht sei. Seit gestern gibt es Anzeichen dafür, dass diese nicht nur zum Greifen nahe, sondern sogar schon erreicht sein könnte. Denn der Geschäftsklima-Index des Münchener Ifo-Institutes, eines der wichtigsten Stimmungsbarometer der deutschen Wirtschaft, hat sich zum vierten Mal in Folge deutlich verbessert. Und zwar viel stärker, als viele Experten angenommen hatten. Im Juli legte der Index um 1,4 auf 87,3 Punkte zu. Der Indikator basiert auf einer monatlichen Befragung von 7000 deutschen Unternehmern. Diese geben an, wie sie ihre gegenwärtige Geschäftslage beurteilen, und teilen ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate mit. "Es scheint, dass die Wirtschaft wieder Tritt fasst", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
"Beachtlich ist insbesondere, dass diesmal auch die Lagebeurteilung deutlich besser ausgefallen ist", sagte Arndt Schäfer, Konjunkturexperte der WestLB, im Gespräch mit unserer Zeitung. "Bislang hatte sich ausschließlich die Erwartung der Firmen verbessert." Noch im Vormonat hatten die Unternehmen ihre Lage so schlecht eingeschätzt wie nie zuvor. Dieser Teilindex hat sich jetzt um knapp zwei Punkte verbessert.
"Es deutet vieles darauf hin, dass der freie Fall gestoppt ist", sagt Michael Grömling, Konjunkturexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. "Allerdings sollte man immer noch vorsichtig sein. Es ist noch nicht klar, ob wir in der Talsohle oder der Tiefebene angekommen sind." Soll heißen: Noch können die Experten nicht sagen, wie lange die deutsche Wirtschaft auf dem niedrigen Niveau verharren wird. "Wenn man die derzeitige Lage mit dem Vorjahr vergleicht, liegen wir 20 bis 30 Prozent unter dem damaligen Niveau", so Grömling. Auch Ifo-Experte Klaus Abberger warnt vor zu großer Euphorie. Er glaubt, dass es eher langsam wieder aufwärts gehe, denn die Lage sei mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die restriktive Kreditvergabe durch die Banken immer noch sehr ernst. Dennoch glaubt auch Abberger: "Wir werden im dritten Quartal wieder eine positive Wachstumsrate haben."
Die WestLB geht sogar einen Schritt weiter: Mit Blick auf die steigenden Auftragseingänge der deutschen Unternehmen und die anziehenden Industrieproduktion könnte nach Ansicht von Volkswirt Schäfer die deutsche Wirtschaft sogar schon im zweiten Quartal gewachsen sein. "Etwas, das vor zwei bis drei Monaten niemand für möglich gehalten hätte", sagt Schäfer.
Zwar glaubt er auch, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten noch deutlich verschlechtern wird. Eine genaue Prognose traut er sich angesichts der positiven Wirtschaftssignale jedoch nicht mehr zu. "Falls die Konjunktur wirklich in dem Maße anspringt, dann würde Deutschland mit einem blauen Auge davonkommen." Anders als die WestLB rechnet man beim Ifo erst für das dritte Quartal mit positiven Wachstumsraten.
Für das Gesamtjahr gehen die Kölner IW-Ökonomen nur noch von einem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um fünf Prozent aus. Die Bundesregierung rechnet derzeit noch mit einem Minus von sechs Prozent. Für das kommende Jahr sind sich IW und Regierung dann allerdings einig: Die Wirtschaftsleistung werde dann um ein halbes Prozent zulegen.